Es geht mir immer um die Sache, die Menschen, mein Dorf

Knapp 11.500 Bürgermeister gibt es in Deutschland. Nur rund 30 Prozent von ihnen sind hauptamtlich tätig, verdienen also ihren Lebensunterhalt in diesem Amt. Die überwiegende Mehrheit agiert ehrenamtlich – also zusätzlich zu ihrer beruflichen Tätigkeit, nach Feierabend, an den Wochenenden. Immer dann, wenn es im Ort etwas zu regeln, zu kommunizieren oder vor allem, etwas anzustoßen gilt, was die Entwicklung des Ortes oder Stadtteiles voranbringt. Der Lohn für diesen – quasi – Dauereinsatz einschließlich des weitestgehenden Verzichtes auf eine unabhängige Freizeitgestaltung? Eine Aufwandsentschädigung –  einerseits. Etwas gemeinsam mit den Ortsteilräten erfolgreich zum Abschluss bringen, für die Menschen da zu sein – andererseits. Für manchen scheint das kein adäquater Ausgleich. Für die ehrenamtlichen Bürgermeister, die mit hohem Engagement arbeiten, ist es eine Herzensangelegenheit.

Unser Erfurter Norden ist in mehrere Ortsteile aufgegliedert, jeder hat einen ehrenamtlichen Bürgermeister oder eine Bürgermeisterin und einen Ortsteilrat, ebenfalls ehrenamtlich tätig. 

Wir treffen Anita Pietsch, Bürgermeisterin von Gispersleben. Seit mehr als einem Vierteljahrhundert kümmert sie sich um die einfachen wie um die komplizierten, langwierigen Dinge. Sie tut dies kraftvoll, immer im Interesse der Bürger ihres Ortes. Ja – Gispersleben ist schon lange eingemeindet, bereits seit 1950 gehört es zu Erfurt. Und doch wurde hier viel vom traditionellen dörflichen Leben bewahrt. Es scheint, als kenne jeder jeden. Viele Projekte geht man in der dörflichen Gemeinschaft an. Ein reges Vereinsleben korrespondiert mit dem Engagement, das aus Schule und Kindertagesstätten, aus der Kirchengemeinde ebenso wie aus ortsansässigen Firmen auf den Ort ausstrahlt. Zum jährlich stattfindenden Neujahrsempfang, zu dem Anita Pietsch seit vielen Jahren die Akteure des Ortes ins Bürgerhaus einlädt, bekommt man davon einen Eindruck. 

Sie ist selbst gebürtige Gisperslebenerin. Engagiert hat sie sich schon immer, sei es im Elternbeirat, als ihre Tochter noch Schülerin war oder wann immer es darum ging, in der Freizeit die Ärmel hochzukrempeln und mit anzupacken. Mit ihrem Vorgänger Michael Trogisch verband sie eine gute, konstruktive Zusammenarbeit. Als er 1996 berufsbedingt nicht mehr die Zeit für die tägliche, herausfordernde ehrenamtliche Tätigkeit fand, stellte sie sich zur Wahl und übernahm – mit dem ihr eigenen hohen Energielevel. Unterstützung fand sie bei den Mitgliedern des Ortsteilrates und den notwendigen Rückhalt in ihrer Familie. 

Ende der 1990er Jahre trat sie in die CDU ein. „Ich habe nie Parteipolitik gemacht, es geht mir immer um die Sache, die Menschen, mein Dorf.“, sagt Anita Pietsch. Ein erstes großes Highlight war die 850-Jahrfeier Gisperslebens. Diese Großveranstaltung war ein Projekt, das das Miteinander der Vereine, Institutionen und Organisationen beförderte. „Dieses Zusammenwirken war mir immer eine Herzensangelegenheit.“, resümiert sie: „Ich bin dankbar, dass die Vereine mittun.“ 

Selbstkritisch blickt sie auf ihre Anfangszeit als Bürgermeisterin zurück: „Als ich im Juni 1996 meine Arbeit begann, wollte ich wohl manchmal zu viel auf einmal. Ich habe lernen müssen, dass man hier nur erfolgreich sein kann in Zusammenarbeit mit der Stadt.“

Was nach mehr als 25 Jahren ihrer Tätigkeit sichtbar ist und für die Zukunft bleibt, ist unter anderem ein inzwischen sehenswert schönes Ortszentrum, der Amtmann-Kästner-Platz. Zähigkeit hat sie gemeinsam mit dem Ortsteilrat bewiesen, als es um die Platzsanierung in Hinsicht auf den Straßenbau ging. Dass sich inzwischen auch ein Eigentümer des den Platz dominierenden Amtmann-Kästner-Hauses fand, der es sensibel restauriert, freut Anita Pietsch besonders. 

Auch dass viele junge Familien in und aus Gispersleben ein Einfamilienhaus hier gebaut haben, dass sie dem Ort treu geblieben sind, freut die Bürgermeisterin. „Die neuen Häuser integrieren sich wunderbar in die vorhandene Bausubstanz, hier sind keine Baugebiete entstanden, die vom Ort abgekoppelt wirken wie das anderswo mitunter geschehen ist.“, sagt sie: „Gispersleben ist umworben, auch von vielen Interessenten von außerhalb.“ 

Ein attraktiver Ort, angrenzend an eine schöne Parklandschaft in der Geraaue, ein gutes Miteinander von Vereinen, Einrichtungen und Organisationen, eine lebendige dörfliche Tradition – all das lag und liegt Anita Pietsch am Herzen. Was sie sich für die Zukunft wünsche, fragen wir. „Gispersleben ist Gispersleben. Durch die Vereine, die gute Infrastruktur, das Zusammenleben von Menschen, die seit Jahren und Jahrzehnten hier wohnen. Ich wünsche mir, dass der Zusammenhalt so bleibt. Wir wollen so bleiben wie wir sind und Neues integrieren.“, ist ihre zusammenfassende Antwort und mit einem Augenzwinkern fügt sie hinzu: „Eine 875-Jahr-Feier wäre schön.“  Die würde 2025 anstehen. 

Die Mitarbeiterin des Gewerbe- und Ordnungsamtes, die jetzt im Ruhestand ist, engagiert sich in ihrem Amt mit hohem Einsatz für die Menschen ihres Ortes. Für ihre ehrenamtliche Arbeit der Bürgermeisterin wurde sie im vergangenen Jahr mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.

Autor: B. Köhler, Foto: A. Pietsch

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