Das Königliche Salzwerk zu Erfurt um 1870, Bildquelle: Dr.- Ing. Heinrich Bartl aus Privatsammlung zur Verfügung gestellt
Inside Malakow – wir waren „drin“
Teil 1
Im Frühjahr haben wir damit begonnen, in verschiedenen Beiträgen die Tradition Erfurts als Stadt des Bergbaus zu beleuchten. Die geologischen Besonderheiten des Erfurter Nordens, in dessen Boden Schätze lagerten (und noch lagern), die zum Aufschwung verschiedener Wirtschaftszweige führten, haben auch in der Industrie-Architektur ihren Niederschlag gefunden — zum Bespiel im Gebäude des Salzwerkes, bei den Erfurtern als „Saline" bekannt. Wir hatten Gelegenheit, dieses heute leer stehende Gebäude ausgiebig zu besichtigen und Fotos vom Inneren zu machen für unsere Leser. Wir überschreiben diesen Beitrag mit „Inside Malakow" – aber der Reihe nach:
Neben Kalk, Gips, Ton und Kies, der heute noch aus den mächtigen Lagerstätten abgebaut wird, lagert auch Steinsalz im Boden unter unserem Erfurter Norden. Rund 100 Jahre ist es her, dass es hier abgebaut wurde. Noch heute erinnern Straßenbezeichnung und der Name der Gartenanlage „Saline" an diese geschichtlich eher kurze Epoche.
Das riesige Gebäude, das der Salzgewinnung und -förderung aus 370 Meter Tiefe sowie der Aufbereitung des gewonnenen Salzes diente, beeindruckt auch nach so langer Zeit der „Nichtnutzung" noch.
Das Salzbergwerk - die „Saline" - die der Straße und der Gartenanlage ihren Namen gab, ist heute ein nur noch teilweise genutztes Gebäude-Ensemble, das die ehemaligen, inzwischen verfüllten Bergbauschächte überbaut, doch dazu und auch zur ehemaligen Solegewinnung im Erfurter Norden vor fast 200 Jahren, später mehr.
Ende August hatten wir Gelegenheit, mit den Vorständen des Bergmannsvereins Erfurt, Jörg Bodenstein und Hartmut Weirauch, das Gebäude zu besichtigen - und waren tief beeindruckt. Wind und Wetter hat das denkmalgeschützte Ensemble getrotzt, genutzt wurde und wird es seit Jahrzehnten nur in Teilen, viele Bereiche sind marode.
Der markanteste Teil des Gebäudekomplexes ist der der Malakow-Turm. Diese spezielle Form eines Förderturms wurde zwischen 1855 und 1890 errichtet, sie löste Holzfördertürme ab, ihre Nachfolger waren Stahlfördergerüste. Der Stil solcher Türme ging auf englische Ingenieure zurück, die als architektonisches Vorbild das Fort Malakow wählten, einer Festung bei Sewastopol in Russland, die 1855 im Krim-Krieg belagert wurde.
Der Erfurter Malakow-Turm besteht aus massivem Mauerwerk mit meterdicken Wänden auf einem rechteckigen, fast quadratischen Grundriss. Er erhebt sich bis in eine Höhe von 22 Metern. Die Fenster sind mit Rundbögen gemauert, ebenso die Eingangstüren. Vollständig runde Fenster prägen das oberste der fünf Geschosse und finden sich zudem über den Eingängen. Unterhalb der Traufe sind Mauerwerksverzierungen angebracht. Der Bau ist außergewöhnlich robust und dennoch mit vielen stilistischen Details ausgestattet.
Diese Robustheit war erforderlich, musste doch der Förderturm doch die Gewichte der Fördermaschinen und die Zugkräfte der Seile, die das Salz aus großer Tiefe aus den Schächten holten, abfangen können.
Holzbalkendecken – heute in Teilen morsch – trennen die Etagen voneinander. Der Malakow-Turm sorgte dafür, dass Frischluft in die Schächte kam, über einen sog. Wetterschacht wurde die Luft aus dem Bergwerk wieder nach draußen befördert. Unter Tage wurde einst mit Sprengstoff gearbeitet, um Gestein zu lösen, offenes Feuer sorgte für Beleuchtung.
Mit folgendem groben Ablauf lässt sich die Salzgewinnung umreißen: Das Salzgestein wurde angebohrt, Sprengmittel wurden eingesetzt, dann wurde gesprengt und das Salzgestein damit grob zerkleinert. Das zerkleinerte Material wurde sodann nach Übertage gefördert und dort je nach vorgesehener Verwendung weiter zerkleinert, sortiert und verpackt. In einer späteren Phase wurde das unter Tage anstehende Salzgestein gesolt. Letzteres beinhaltet das Abspritzen bzw. Abspülen der Wände mit über Rohrleitungen zugeführtem Frischwasser. Dabei löst sich das Salz aus dem Gestein. Diese Sole (= gesättigte Salzlösung) wurde über die Schächte dann nach oben gepumpt. Dort wurde es gesiedet, um das Wasser wieder vom Salz zu trennen. Im Ergebnis entstand entsprechend kristallisiertes Salz.
Das Erfurter Salzbergwerk wurde als sog. Doppelschachtanlage betrieben. Es gab einen Förderschacht, über den das Salz nach Übertage transportiert wurde und welcher auch dem Personen- und Materialtransport diente. Der zweite Schacht war der sogenannte Wetterschacht, über den die Frischluft nach Untertage geführt wurde und welcher auch als Notfahrschacht diente. Über zwei gegenüberliegende Schächte also wurde Salz gefördert. Demzufolge gab es hier auch zwei Fördermaschinen.
Fortsetzung folgt
Autor: B. Köhler, Fotos: Historische Fotos aus Stadtarchiv Erfurt; B. Köhler